
OWNERSTORY - ALASKA
Diese fantastische Welt aus Fjorden, zerklüfteten Ufern und
kühlem Regenwald kann man mit dem eigenen Boot erkunden,
was auch Sänna tat, jedoch ist der Zugang für private Yachten
zahlenmäßig beschränkt und man muss dazu eine Genehmigung
einholen. Doch gleich außerhalb des Nationalparks scheint die
Insel Chichagof mindestens genauso attraktiv zu sein. Sänna verbrachte
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sogar einen Winter in der Marina von Hoonah, unter den
wachsamen Augen einiger freundlicher Anwohner, während Marie
und Dave nach England flogen um ihre Freunde und Familien zu
besuchen. Über Chichagof schreibt Dave: „Die Insel ist gebirgig,
dicht bewaldet, entlegen und wild. Sie hat die höchste Konzentration
an braunen Grizzlybären, fast drei Stück pro Quadratmeile.
Im Wasser findet man die meisten Buckelwale, während Herden
von Orcas oft die vielen einsamen Fjorde aufsuchen. Wölfe, Rotwild
und Adler suchen ständig die Ufer nach Nahrung aller Art ab. Und
dann liegt mitten in diesem Fast-Nichts die kleine Ansiedlung
Pelican. Das ist, glaubt es mir, anders als alles, was man sich vorstellen
kann. Pelican ist ein berühmt-berüchtigtes Juwel, welches
nur die Menschen von hier kennen, und in Alaska mag man nun
wirklich keine der so genannten Reise-Experten, die immerzu
auf der Suche nach dem nächsten Geheimtipp sind. Es gibt keine
Straßen nach Pelican, es gibt hier überhaupt keine Straßen. Es
gibt auch keine Fahrzeuge. Nun ein überwältigend malerisches
Dorf, auf hölzernen Stelzen zwischen Berghang und Ufer gebaut,
einst wegen der heruntergekommenen und geschlossenen Fischkonservenfabrik,
deren Reste immer noch in die See bröckeln. Der
einzige Weg nach Pelican führt über das Wasser. Und selbst dann
müssen die waghalsigen Seeleute die entsetzlichen Stromschnellen
mit 12 Knoten Strömung in der Enge von Inian passieren, um
überhaupt in die Nähe zu kommen. Es führt kein einfacher Weg
nach Pelican.“
Natürlich mussten dann auch diese beiden nach Pelican. „Wir
segelten Sänna so bald wie möglich von Hoonah aus dorthin. Wir
passierten die Enge von Inian bei Stauwasser, wie die Fischer es
uns erklärt hatten. Es ist ein wilder Ort. Es ist auch ein wunderhübscher
Ort. Und man trifft dort auf ganz ungewöhnliche Menschen.
Tatsächlich, wenn dies von nichtsahnenden Touristen entdeckt
würde, wäre die Magie sicherlich dahin. Die wilden Gerüchte über
nackte Wettläufe auf den gefrorenen Brettern des Holzstegs in
den späten Nachtstunden sind wahr. Die Erzählungen von rauen
Bluegrass-Fiedeln und Oben-Ohne Tänzen auf den Tischen in
Rose’s Bar sind nicht gelogen, ebenso wenig wie die über die
endlosen Lokalrunden für tausende von Dollar, wenn die betrunkenen
Fischer, die endlich vom wilden Pazifik zurück sind, die große
Glocke über der Bar läuten und dann rückwärts umfallen und
von der lachenden Menge aufgefangen werden. Und das alles an
einem Dienstagabend. Draußen sitzt ein lebendiger Grizzly in der
Wärme des Außenklos und schaut dir beim Pinkeln zu, während
du versuchst, die Welt aus deinen unfokussierten Augen neu zu
sehen. Und die Mädchen, ja, die sind freundlich genug, du wirst
ganz sicher das Mädchen deiner Träume heiraten, wenn du nur
lange genug in Pelican bleibst. Der Priester und der Medizinmann,
sie sind die besten Freunde. Sie trinken gemeinsam ihren Whisky
und streiten dabei dauernd über den Gott des jeweils anderen.“
Weiter schreibt Dave: „Auch Elfin Cove kann man nur per Boot
erreichen. Tatsächlich ist Elfin Cove ein guter Zwischenstopp etwa
auf halben Weg von Hoonah aus nach Pelican. Wenn man jedoch
zu lange in Elfin Cove bleibt, besteht die Gefahr, dass man zum
Eingeborenen wird. Das meinen sie jedenfalls in Hoonah, wenn
sie dir sagen, dass in Elfin Cove nur Hippies wohnen. Tatsächlich
meinen sie, dass die Leute hier etwas komisch im Kopf seien, aber
das fanden wir nicht, als wir Sänna dorthin segelten. Klar, die Leute
in Elfin Cove sind schon anders, aber in einer respektablen Art. Sie
sind ganz und gar eigenständig, sie brauchen weder Fernsehen
noch Internet und sie leben mit sich selbst auf eine Art, die nur
schwer zu erklären ist. Wir selbst konnten sie, vielleicht, zu einem
gewissen Grad verstehen, weil wir eine ähnliche Abgeschiedenheit
kennen, wenn wir lange auf See sind. Aber hier leben sie diese
Ungestörtheit als Gemeinschaft, nicht auf individueller Ebene.“
Zu Hippies wurden Dave und Marie in Elfin jedenfalls nicht. Als wir
sie aufspürten um Kontakt aufzunehmen, waren sie gerade auf
dem Weg nach Süden, entlang der amerikanischen Westküste,
Kurs: Panama. Oder?
Segelt ihr nach Panama? Und dann von dort wie weiter?
Von Hawaii aus kamen wir auch deswegen nach Alaska, weil wir
eigentlich versuchen wollten, durch die Nordwestpassage zu
gehen. Ich habe schon früher auf GFK-Yachten in hohen Breitengraden
gesegelt und obwohl das nicht einfach ist, wäre es durchaus
möglich; vor allem wegen der immer einfacher werdenden
Eisverhältnisse dank der globalen Erwärmung. Allerdings hatten
wir so viele Probleme mit unserem Motor, dass das Risiko damit zu
hoch gewesen wäre. Nun haben wir den alten Motor durch einen
neuen Yanmar Diesel ersetzt aber dafür mussten wir bis nach Port
Townsend in den Süden segeln, wodurch wir eine weitere Saison
verloren hätten, wollten wir doch noch die Nordwestpassage
versuchen. Nun haben wir die einzig andere Alternative gewählt,
nach Süden bis Panama und dann durch den Kanal nach Osten.
An Panama vorbei nach Süden zu segeln ist für uns keine Option,
wegen der ungünstigen Winde und des Humboldt-Stroms. Und
dann, wer weiß? Wir machen niemals langfristige Pläne, weil die
sich sowieso immer ändern.